Am Wochenende durfte ich mal wieder eine Fortbildung bei Anna Trökes besuchen. Diesmal ging es um das Thema "Yoga bei Depressionen". Das Buch, dass Anna geschrieben hat, habe ich bereits gelesen und ich war nun sehr neugierig darauf, was sie persönlich dazu sagen würde. Dass Yoga bei Depressionen hilft, weiß ich schon - auch aus eigener Erfahrung. Es interessiert mich sehr, wie man es in Worte, in Übungen und somit in transportierbares Wissen fassen kann. Und ich finde, Anna ist eine hervorragende Lehrerin.
Sie hat die Weiterbildung in drei Cluster aufgeteilt:
Asanas (Körperübungen), die bei Depressionen helfen
Atemübungen, die bei Depressionen helfen
Meditationen, die bei Depressionen helfen
Asanas
Wenn man gerade in einer schwierigen Krise, in einer tiefen Depression und Kraftlosigkeit steckt, fällt es in der Regel nicht leicht, sich aufzuraffen um Übungen auf der Matte zu absolvieren. Hier ist es mehr das Wissen darum, dass es einem danach besser gehen wird, dass vielleicht helfen kann, sich dennoch zu motivieren. Aber warum geht es einem denn anschließend besser?
In der Regel synchronisiert man die Übung mit dem Atem. Diese Gleichförmigkeit wirkt sich nachweislich beruhigend auf den Geist aus. Es fällt einem viel schwerer, in dieser gedanklichen Abwärtsspirale zu bleiben, wenn sich der Geist mit der Übung und dem Atem beschäftigen muss.
Die Hemisphären gehen stärker in Kontakt zueinander. Das heißt, dass beide Gehirnhälften aktiviert werden. Auch dies hat einfach den Effekt, dass wir befähigt werden, wieder ganzheitlicher zu denken und nicht nur im Gefühl stecken zu bleiben.
Der innere Beobachter wird geschult. Durch die Konzentration auf das, was ich tue, schule ich die sehende Instanz in mir. Dies ist bei der Arbeit mit dem Körper viel leichter, als bei der reinen Meditation. Ist diese Instanz in mir aktiviert, kann ich besser in Abstand zu meinen Gefühlen gehen und mich somit weniger mit ihnen identifizieren.
Der liebevolle Umgang wird geschult. Wie wende ich mich mir zu uns was verlange ich von mir? Müssen es anstregende Übungen sein, die meinen Körper an die Grenze bringen, oder erlaube ich mir heute, sanft zu mir zu sein. Einfach nur leichte Bewegungen und mit dem Atem fließen. Muss ich leisten oder darf ich einfach sein?
Die Asanas steigern - sofern man sich nicht überfordert - das körperliche Wohlbefinden. Dem folgt der Geist und das Gefühl bereitwillig. Es ist einfach so, dass wir uns nach der Bewegung in der Regel besser fühlen. Diese Bewegung kann aber auch ein Spaziergang und eine paar Bahnen Schwimmen sein.
Dies sind nur die wichtigsten Punkte. Es spielen sicher weitere Aspekte mit rein. Aber durch die Übung von Asanas werden einfach deutlich mehr effekt erreicht, als die reine Aufdehnung oder Kräftigung von Muskeln. Und genau das macht den Unterschied zu vielen anderen Sportarten aus. Zumindest für mich!
Atemübungen
Ein spanndes Thema im Yoga sind die Pranayamas (=Kontrolle des Atems/Lebensenergie). Hier haben die unterschiedlichen Traditionen einiges zu bieten. Allerdings geht es bei der Anwendung von Atemübungen bei Depressionen, Niedergeschlagenheit und Angst immer mehr um die Beruhigung und die Verlangsamung des Atems. Auch hier kann man wissenschaftlich nachweisen, dass die Verlangsamung des Atems automatisch auch eine Auswirkung auf das EEG und die Gehirnströme hat. Der Geist beruhigt sich, wenn ich meinen Atem vertiefe und damit in der Regel auch verlangsame.
Das Schwierige dabei ist allerdings, dass mein Atem sich nicht gerne führen lässt, wenn ich mich in einer sehr angespannten Situation und im Stress befinde. Im Gegenteil: er wird sich wehren und mir zeigen, wer hier der Chef im Haus ist. Depression ist Stress und somit gelingt mir es nicht ganz einfach, dem vorgegebenen Rythmus der Yogis (4/16/8/8) einfach mal zu folgen. Frustration stellt sich ein. Und das bewirkt das Gegenteil von "Beruhigung des Geistes".
Die grundlegende Erkenntnis aus diesem Seminar war für mich, dass wir auch dann den Körper erst einmal vorbereiten mit Asanas. Hier bietet der Yoga viele, schöne Übungen an, die die körperliche Enge auflösen können. Und dann erst lade ich meinen Atem ein, langsamer zu werden. Aber immer auch mit der Erlaubnis, dass er dieser Einladung nicht folge leisten möchte. Es ist diese Offenheit, die ihn in der Regel folgsamer macht. Und es braucht die Offenheit Dir selbst gegenüber: du darfst es auch "nicht richtig" machen.
Meditation
Die Meditation ist ein Geschenk. Sie ist eine Praxis, die soviel bewirken kann, wenn man auch hier verschiedene Anforderungen und Erwartunge aufgibt. Nein, Deine Gedanken werden nicht vollkommen still werden. Nein, die Erleuchtung stellt sich nicht ein, weil Du Dich anstrengst. Sie ist ein Weg, auf den Du Dich begibst, weil Du den Spaziergang so genießt. Weil Du es beobachten möchtest, was Dir auf dem Weg begegnet - und nicht, weil Du möglichst schnell ans Ziel kommen möchtest.
Anna hat drei verschiedene Stufen angeboten. Zunächst verwurzelt man sich. Man verbindet sich mit der Erde. Und dieses Bild hat gerade in depressiven Phasen eine unheimliche Kraft, da wir oft das Gefühl haben, ins Bodenlose zu fallen. Wir visualisieren die Verbundenheit mit der Erde durch tiefe Wurzeln, die in die Erde schlagen. Bei der zweiten Stufe richtest du Dich aus dieser festen Grundlage heraus auf. Wie eine wünderschöne Blume, die sich der Sonne entgegen streckt. Und in der dritten Stufe wirst Du dir Deiner Ressourcen und Kraft bewusst.
Es darf sich alles zeigen. Du bist frei von Erwartungen. Die Gedanken dürfen abschweifen und Du kehrst immer wieder zurück.
Für mich war diese Anleitung über fast zwei Stunden, die immer wieder mit keinen Bewegungspausen unterbrochen waren, eine besondere Erfahrung. Ich habe es als Geschenk empfunden, von Anna angeleitet zu werden, die all ihre Liebe und Erfajrungen in ihre Worte gepackt hat. Ich könnte nicht mehr genau sagen, was sie gesagt hat. Aber das ist auch nicht der Punkt.
Fazit
Mich hat diese Weiterbildung in meinem Erfahrungswissen bestärkt. Yoga ist und bleibt für mich eine große Schatzkiste an altem Wissen, dass durch intensive Beobachtung der Yogis entstanden ist. Es ist uralt und doch unglaublich modern und passt in eine Zeit, in der die Menschen von einem Termin zum anderen jagen. In eine Zeit, in der Handies unser Leben bestimmen. Und auch in eine Zeit, in der wir mit Masken einkaufen gehen und Abstand halten zu Menschen, denen wir eigentlich nahe sein möchten.
Ich bin dankbar, dass der Yoga zu mir gekommen ist.
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