Kann man sich gesund atmen?
- Sabine Terhorst
- 25. Juli
- 5 Min. Lesezeit

Ich lese gerade ein Buch von Ralph Skuban "Atmen" und bin wieder einmal mega fasziniert, wie wenig wir in unserer Gesellschaft über das Atmen wissen. Vielleicht weiß man es, aber man misst ihm dann doch viel zu wenig Bedeutung zu. Das ist in den östlichen Traditionen offensichtlich vollkommen anders. Sowohl im TCM, als auch im Ayurveda weiß man um die Relevanz des Atems - auch in Bezug auf unsere allgemein körperliche und psychische Gesundheit. Zu gut Deutsch: man kann sich regelrecht krank atmen. Laut Ralph Skuban, aber z.B. auch James Nestor (Buch "Breath") resultieren unglaublich viele "Zivilisationskrankheiten" aus einem falschen Atmen heraus.
Mich interessiert das Thema "Atmen" aus unterschiedlichen Perspektiven. Zum einen natürlich ganz persönlich und für meine eigene Gesundheit. Aber auch für meine Tätigkeit als Yogalehrerin und Therapeutin. Im Yoga binden wir ganz selbstverständlich den Atem ein. Wir schärfen unser Bewusstsein für unsere aktuelle Atemsituation und nehmen dann vielleicht auch ganz sanft Einfluss auf ihn. Und ganz oft machen die TeilnehmerInnen dann die Erfahrung, dass ihr Geist ruhiger wird.
Bei meinen KlientInnen ist es so, dass ich oft auch Atemübungen anbiete. Ein besonders schönes Beispiel habe ich gerade in meiner Praxis, bei der eine Klientin unter anderem durch eine regelmäßige Atem-Meditation und auch Atem-Verlangsamung, die Panikattacken regulieren konnte. Diese Erfahrung konnte ich schon öfter mit meinen KlientInnen machen und es ist jedes Mal wirklich faszinierend, wie wir durch "einfache" Methoden große Wirkungen erzielen können.
Wir haben bei dem Atem interessanterweise zwei Phänomene nebeneinander. Er "geschieht" uns einfach und funktioniert daher auch, ohne dass wir gezielt Einfluss darauf nehmen. Er wird also vom autonomen Nervensystem gesteuert. Daher reagiert der Atem auch so fein auf Stress. Egal ob dieser Stress im außen ist (z.B. durch Arbeitsbedingungen und Bedrohnung) oder im Innen (durch unsere Gedanken oder gesundheitliche Probleme). Er wird schneller und kürzer, manchmal auch unregelmäßiger, wenn wir Stress haben. Und er wird tiefer, langsamer und oft auch regelmäßiger, wenn wir uns entspannen.
Gleichzeitig können wir auf unseren Atem Einfluss nehmen, indem wir ihn verlangsamen, intensivieren oder auch Pausen einlegen. Je nachdem, wie das geschieht, hat das interessanterweise auch direkten Einfluss auf unser autonomes Nervensystem. Wir können uns also über den Atem entspannen aber auch pushen.
Klingt einfach und wäre es auch, wenn unser Atem und dessen Rythmus gesund ist und eine dementsprechende Flexibilität hat. Allerdings habe ich schon oft von TeilnehmerInnen und auch KlientInnen gehört, dass ihnen das Verändern des Atems (z.B. ein sanftes verlängern des Ausatmens) Stress macht. Sie kommen sehr schnell in einen Atemhunger und haben daher das Bedürfnis, schneller und tiefer zu Atmen. Vielleicht müssen sie dazu sogar den Mund öffnen. Das kann ein deutlicher Hinweis darauf sein, dass über längere Zeit der Stresslevel zu hoch war und durch den chronischen Stress sich ein unflexibles Atemmuster etabliert hat, was auf unterschiedlichsten Ebenen krank machen kann.
Ich möchte an dieser Stelle einfach mal einige Symptome aus dem Buch von Ralph Skuban aufzählen, die er als Folge einer "Überatmung" (zuviel Sauerstoff - zu wenig Co2) aufzählt:
Herz-Kreislauf-System
hoher Blutdruck
unregelmäßiger Herzschlag
schlechte Durchblutung, kalte Extremitäten
Immunsystem
trockene, laufende, entzündete oder verstopfte Nase
Häufige Erkältungen
Hautprobleme & Allergien
Schlaf
Einschlafprobleme
unterbrochener Schlaf
Schnarchen
Schlafapnoe
nächtlicher Harndrang
Atmung
häufiges Atmen durch den Mund (auch nachts)
Kurzatmigkeit
häufiges Gähnen
Kurzatmigkeit, Asthma-Symptome
das Gefühl, nicht genügend Luft zu bekommen
Weitere Symptome aus den Bereichen Verdauung, Muskeln, Nervensystem, Mentales, Sexualität und allgemeine Leistungsfähigkeit...
Ich habe nicht einmal die Hälfte aller Symptome aus dem Buch genannt, was einfach zeigt, wie umfassend negativ sich eine ungünstige Atmung auf den ganzen Menschen auswirken kann. Und wenn man mal an solche Themen wie Bluthochdruck denkt (kommt wirklich oft vor und wird immer wieder direkt mit BETA-Blockern behandelt) oder Schlafapnoe (häufig wird hier dann ein Gerät verschrieben, dass die Atmung in der Nacht unterstützt), dann wäre es doch einfach schön, wenn man das mit einer gesünderen Atmung selbst wieder verbessern könnte, oder?
Doch auch psychische Probleme, wie Panik und Angst, depressive Verstimmungen und Emotionale Instabilität, können mit einer dysfunktionalen Atmung in Verbindung stehen. Und selbst wenn man eine gesunde Atmung hat, bemerkt man bei den entspannenden Atemübungen doch oft eine unmittelbare Verbesserung der Probleme.
Ich gebe zu, dass klingt zu einfach, als das es stimmen könnte - oder nicht?
Es ist aber eben gar nicht sooo einfach, wie ich gerade selbst feststelle. Ich achte jetzt seit einigen Jahren auf meinen Atem. Seitdem ich das Buch "Breathe" gelesen habe, habe ich begonnen, ganz gezielt auf eine durchgehende Nasenatmung zu achten. Und nun - einfach weil ich gerade wieder ein Buch höre/lese - achte ich wieder darauf. Und siehe da: mir fällt auf, wie oft ich dann doch durch den Mund atme. Es ist nicht super oft, aber öfter als ich es vermutet hätte. Wenn ich aus meiner Komfortzone bei den Atemübungen raus gehe und gezielt versuche, z.B. nach dem Ausatmen den Atem zu halten, merke ich, dass da deutlich Luft nach oben ist. Meine CO2-Toleranz hat noch also noch Entwicklungspotenzial.
Wie ist es bei Dir? Magst Du es einfach mal testen/erforschen?
Kleine Atemübung
Dann setze Dich doch mal aufrecht hin und entspanne Dich. Komme bei Dir an und spüre Dich in Deinem Körper. Wie geht es Dir gerade?
Lass den Atem fließen und beobachte einfach nur, wie der Atem kommt und geht. Verändere ihn nicht. Spüre einfach nur, wie er durch die Nase ein und auströmt oder wie sich der Brustkorb hebt und senkt. Und dann lass das Ausatmen ein bisschen länger werden als er im Alltag normal der Fall wäre. Das Einatmen geschieht automatisch. Achte darauf, dass sowohl das Ein- als auch das Ausatmen durch die Nase geht. Finde auf diese Art einen neuen Rythmus, mit dem Du gut sein kannst und bleibe für 3-5 Minuten dabei.
Beende dann das bewusste Manipulieren des Atems und lasse ihn wieder frei fließen.
Wie geht es dir gerade?
Fragen zur Reflexion
Konntest Du anfangs den Atem spüren ohne ihn zu verändern?
War es möglich, das Ausatmen zu verlängern?
Hattest Du das Gefühl, dass ein wenig Atemhunger entstanden ist?
Wenn ja, wie bist Du damit umgegangen? Konntest Du das Gefühl tolerieren?
War es möglich, die ganze Zeit entspannt durch die Nase zu atmen?
Hättest Du das Ausatmen gerne mehr verlängert, aber es ging nicht?
Wie hast Du Dich im Anschluss an die Atemübung gefühlt? Ruhiger oder angespannter?
An der Stelle ist es mir noch wichtig zu erwähnen, dass es nicht automatisch bedeutet, dass die Übung nichts für Dich ist, wenn Du gerade nicht gut damit klar gekommen bist. Wir sind ständig eingeladen, den Atem zu erforschen, ihn besser kennenzulernen und gerade dort einmal das Thema "Leistung" und "gut machen wollen" weg zu lassen. Wenn es "gut" gelaufen ist, dann kam Dir diese Übung gerade entgegen und Du kannst so schnell Früchte ernten. Ist es "schlecht" gelaufen, dann darfst Du lernen, damit zu sein. Dir dessen bewusst zu sein, dass Dein Atem im Moment nicht gerne verändert wird. Und vielleicht kannst Du neugierig werden, welche Bedingungen es braucht, um den Atem "geschmeidiger" werden zu lassen.
In jedem Fall (behaupte ich jetzt einfach mal) macht es Sinn, dem Atem liebevolle Aufmerksamkeit zu schenken. Er belebt uns. Ohne ihn könnten wir nicht sein. Jeder Atemzug ist ein Geschenk. Ich glaube, es ist hilfreich, im liebevoll zu begegnen und ihn als unseren Freund zu betrachten. Er hat viel zu erzählen und wir könnten einiges von ihm lernen, wenn wir uns wirklich darauf einlassen.
Falls Du Fragen dazu hast, wende Dich gerne an mich. Und wenn Du Lust zu lesen hast, kann ich das Buch von Ralph Skuban "Atmen" (hier gibt es auch ein Arbeitsbuch) oder eben auch von James Nestor "Breath" sehr empfehlen.







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